Tanzschulen im Wandel der Zeit
Tanzschule – die gefahrlose Droge
Tanzen gehört seit den frühen Anfängen der Zivilisation zur menschlichen Kultur. Für jeden Einzelnen ist es Ausdruck von Lebensfreude, ganz individuell und persönlich. Erst in der Gemeinschaft kommen Regeln hinzu – mehr oder weniger kategorische. Die Gesellschaft fügt ihre eigenen Grundsätze ein, je nachdem, in welcher Verfassung sie sich gerade befindet. Die Vorschriften erstrecken sich vom mittelalterlichen „Das unsittliche Umwerfen beim Tanze sei Euch verboten“ bis zum „Ihr habt alle Freiheiten“ unserer Zeit.
Wen wundert es da, dass sich im Laufe der Jahrhunderte so Manches geändert hat? Tanz im Wandel der Zeiten – das ist eine spannende Geschichte.
Viele verbinden Tanzschule mit Walzer, Foxtrott, Tango oder Rumba und ganz besonders mit Verhaltensregeln in sozialen Situationen. In der Erinnerung entsteht dann dieses Bild: ein Saal, ein Klavier, ein Tanzlehrer-Ehepaar und vor dem Auffordern, steht eine Reihe Jungs einer Reihe Mädchen gegenüber. Als Zeichen des Respektes vor der Dame gehörte die kleine Verbeugung dazu. Aber das, was bis in die siebziger Jahre fester Baustein der Sozialisation war, hat sein Gesicht verändert. Gar nicht so selten machen Tanzschulen inzwischen etablierten Fitnessstudios Konkurrenz.
Sie bieten Tänze mit Namen wie Zumba, Bowka oder Aroha; obwohl das eigentlich gar keine Tänze im eigentlichen Sinn sind.
Was ist passiert?
Die Geschichte des Tanzes reicht wohl bis zum Beginn der menschlichen Entwicklung zurück. Unter dem Einfluss der frühen Kulturen entstanden Volkstänze in vielen Variationen, religiös motivierte Ausformungen, regionale Besonderheiten.
Am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit trennte sich zunächst in Italien der Volkstanz vom höfischen Tanz. So entstand im 14. Jahrhundert der Vorläufer des europäischen Gesellschaftstanzes.
Erste Tanz-Wettbewerbe wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts organisiert. Englische Tanzlehrer begannen Ende der zwanziger Jahre damit, die bekanntesten Formen zu standardisieren. Aber erst 1960 fand die erste Weltmeisterschaft in den Latein-Tänzen statt.
In den fünfziger und sechziger Jahren eroberten Rock’n’ Roll, Beat und andere neue Musikrichtungen die Herzen der Jugendlichen. Mit den langen Haaren begann auch der Versuch einer ganzen Generation, sich vom konservativen Establishment der Eltern und Großeltern abzugrenzen. Im Unterschied zu den herkömmlichen Gesellschaftstänzen wurde die starre Schrittfolge aufgehoben und man folgte häufig nur dem eigenen Taktgefühl. Die Freude an der Bewegung zur Musik ließ jedoch nicht nach, sondern nahm vielmehr freiere Formen an.
Die TV-Tanzshow „Let’s Dance“, hat viel zur Renaissance des klassischen Gesellschaftstanzes in jüngster Zeit beigetragen. Ein großes und vor allem auch junges Publikum entdeckt heute Rhythmusgefühl, grazile Eleganz und perfekte Schritte synchron mit dem Partner wieder für sich. Von verstaubt kann da keine Rede sein. Paartanz ist hohe Kunst der Körperbeherrschung, so ganz anders als der selbstbezogene Discostil. Die Sendung mit ihren Tanzstars hat nicht ohne Grund viele Bewunderer.
Das Publikum der Tanzschulen hat sich verändert. Waren es noch vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich Heranwachsende, die von ihren Eltern zu Tanzkursen angemeldet wurden, weil dies als ein gesellschaftliches Muss betrachtet wurde, kommen nun Kursteilnehmer aller Generationen aus freien Stücken gern und häufig jahrelang gern in ihre Stamm-Tanzschule. Glücklicherweise hat sich die Gesellschaft mittlerweile von manchen steifen Regeln befreit.
Die Schulen haben eine Weile benötigt, sich vom alten Image zu befreien, wozu auch gehörte, sich neue Namen zu geben. Eine kurze Internetsuche fördert erstaunlich fantasievolle Bezeichnungen zu Tage, z.B.: „Dance Academy“ oder „Salsa Olé“.
Frische Kursinhalte ergänzen heute fast überall das traditionelle Programm. Wer hätte sich in den fünfziger Jahren Breakdance als Angebot traditionsgebundener Einrichtungen vorstellen können? Die neue Flexibilität macht jedem Alter Lust aus Tanzen. Dazu gehört auch, dass man für den Nachwuchs angepasste Unterrichtszeiten eingerichtet hat, da der Stundenplan ich für viele Schüler in den Nachmittag hinausgeschoben hat.
Zunehmend finden auch Senioren den Weg in die Tanzschulen, die dieses Interesse am Tanz der älteren Generation mit Angeboten wie Seniorentanz, Stepptanz, Gruppentänzen oder “Tanz Dich fit” beantworten.
Die Tanzschulen haben heute ein vielfältiges, auf Interessengruppen zugeschnittenes Angebot. Dynamisch können sie auf neue Interessen oder Trends reagieren. Eine der erfolgreichsten Modeerscheinungen der letzten Jahrzehnte war das Videoclip-Tanzen.
Tanzen lernen ist aber nicht nur das Beherrschen einer Choreographie von Tanzschritten zur Musik. Geführt von jungen, engagierten Tanzlehrern findet man in der Gemeinschaft Spaß, sinnvolle Unterhaltung und soziale Kontakte. Vergnüglich und entspannend die Freizeit oder den Feierabend zu verbringen, ist etwas Wertvolles. Dabei war steifer Krawattenzwang gestern. Heute geht es locker und trotzdem anspruchsvoll zu. Das macht die Tanzschulen lebens- und liebenswert. Für manche Kursteilnehmer ist es sogar eine kostenlose Kontaktbörse; man muss den neuen Tanzpartner aus dem DiscoFox-Kurs ja nicht gleich heiraten.
Es gibt nur wenige Voraussetzungen, was Ihr erfüllen solltet: Ein bisschen Neugier und viel Freude an Rhythmus und
Bewegung reichen bereits aus. Und dabei ist überhaupt nicht schlimm, wenn das Tanzen süchtig macht!